Altersarmut bedeutet ein Leben voller Verzicht, Existenzangst und Sorgen. Unseren Verein erreichen täglich Anträge, die mit Worten der Ausweglosigkeit und Zahlen finanzieller Not gefüllt sind: Von niedrigen Renten um die 500 Euro ist ein Überleben nicht möglich. Klar, hier springt der Sozialstaat ein und stockt mit Grundsicherung auf. Dieser Betrag wird genau berechnet, basiert auf Posten des täglichen Lebens. Dann ist ja alles bestens, niemand muss hungern. Vermeintlich. Zumindest sehen das doch einige Mitarbeiter des Sozialamts so und geben dieses Verständnis ganz selbstverständlich an um finanzielle Hilfe bittende Rentner weiter.

Wirtschaftswunder

Wie kommt es nur, dass trotz genau berechneter Grundversorgung ein plötzlich defekter Kühlschrank nicht ersetzt werden kann? Oder eine Waschmaschine, die nach 30 Jahren Dienst den Geist aufgibt? Können die Senioren einfach nicht wirtschaften? Rente und Grundsicherung basieren immerhin auf Berechnungen, die einen Bedarf eruieren, der reichen muss. Auch für ein Bett, das nach 25 Jahren zerbricht, oder eine Matratze, die nach 30 Jahren so durchgelegen ist, dass sich die Bettfedern schon in den meist geschundenen Rentnerrücken bohren. Noch schlechter wirtschaften können scheinbar Senioren, deren wohl kalkulierte Grundversorgung schon zum 20. eines Monats zur Neige geht, der Kühlschrank und Magen daher leer bleiben – die Seele bleibt unter solchen Lebensumständen sowieso auf der Strecke. Weil sie nicht wirtschaften kann? Oder ist das Ergebnis der Berechnung eine in die Verzweiflung führende Verzichtsspirale?

So wird der Regelsatz berechnet

Ein Blick auf die Regelsatzberechnung zeigt, auf welcher Grundlage das Ergebnis zur Aufstockung des Niedrigrentenbetrags beruht. Haben so einige Mitarbeiter des Sozialamts recht, wenn Sie bedürftigen Senioren am Telefon sagen: „Sie bekommen ja Grundsicherung. Sparen Sie halt.“? Ist das denn machbar?

56 Euro         Freizeit/Unterhaltung/Kultur
155 Euro         Lebensmittel
37 Euro         Kleidung/Schuhe
37 Euro         andere Waren/Bildungswesen
38 Euro         Stromkosten/Instandhaltung
27 Euro         Innenausstattung/Haushaltsgeräte
40 Euro         Verkehr
40 Euro         Post und Telekommunikation
17 Euro         Gesundheitspflege

446 Euro         gesamt

Genug zum Leben?

Das sind 5 Euro pro Tag bzw. 38,75 Euro pro Woche für Essen. Wir befinden uns gerade inmitten einer Inflation. Rentner schütten uns regelmäßig ihr Herz aus, wie teuer Lebensmittel geworden seien, sie die Extrakosten nicht bewältigen können und uns daher um finanzielle Unterstützung für Essen bitten müssen.
27 Euro für Haushaltsgeräte und Innenausstattung: Benötigt ein Rentner beispielsweise eine neue Waschmaschine, muss er 16,6 Monate darauf sparen. Steht dann zusätzlich eine neue Matratze an, weil die alte durchgelegen ist, ist dies nicht mehr machbar. Hinzu kommt, dass viele Rentner monatlich Zuzahlungen zu Medikamenten oder Medikamente, die die Krankenkassen nicht übernehmen, selbst zahlen müssen. Hierfür nehmen sie beispielsweise den Posten, der für Freizeit/Unterhaltung/Kultur gedacht ist. Die Senioren, die von uns unterstützt werden, freuen sich über jeden Kaffeeklatsch oder andere Veranstaltung, die wir ihnen anbieten, weil sie sich nicht mal einen Cafébesuch leisten können.

Im Fazit lässt sich festhalten, dass 447 Euro in der Realität so knapp bemessen sind, dass Extrakosten wie Hausnotruf, Essen auf Rädern, eine neue Brille, Zahnarztkosten, Nebenkostennachzahlung oder Haftpflichtversicherung nicht bewältigt werden können. Der Tipp so manchen Sachbearbeiters vom Sozialamt, der Rentner solle doch sparen oder er könne doch sein Telefon abmelden, um zu sparen, wirkt vor den Auswirkungen der Altersarmut sehr befremdlich, wenn nicht respektlos.

18.11.2021