Es ist vollbracht, der Gesetzentwurf final: Das Kabinett hat nach monatelangen Verhandlungen und Streitigkeiten der Koalitionspartner die Grundrente endlich abgesegnet. Allerdings muss sie in den nächsten Wochen noch vom Bundestag verabschiedet werden. Wie segensreich ist nun das Grundrentenpaket? Wer profitiert davon? Wer geht leer aus?

Das sind die Fakten

Am 1. Januar 2021 fällt mit dem Silvesterfeuerwerk der Startschuss für die Grundrente, die mit 1,3 Mrd. Euro aus der EU-Finanztransaktionssteuer finanziert werden soll – sofern rechtzeitig umsetzbar. Fünf Prozent der Senioren mit kleinen Renten werden von dem Zuschlag profitieren können. Das sind in absoluten Zahlen etwa 1,3 Millionen Rentner von insgesamt 21 Millionen. Die geschlechterspezifische Verteilung liegt bei 30 Prozent der Männer und 70 Prozent der Frauen, die bis maximal 404,86 Euro brutto (360,73 Euro netto) mehr auf ihrem Kontoauszug entdecken könnten.
Der Plan: Senioren aus der Grundsicherung herauszuholen. 2018 bekamen laut Statistischem Bundesamt circa 560.000 Menschen aufstockende Grundsicherung, davon 52 Prozent aufgrund von Altersarmut. Diese Zahl beschönigt allerdings die Realität: Denn jeder zweite im Alter verarmte Senior proklamiert diesen Anspruch aus Scham oder mangelnder Aufklärung nicht.

Das wird angerechnet

Welche Voraussetzungen müssen gegeben sein, um etwas zu bekommen? Mindestens 33 Versicherungsjahre sind nötig. Von hier aus wird gestaffelt: Wer 35 Jahre rentenversicherungspflichtige Arbeitsjahre geschafft hat, darf sich über den vollen Zuschlag freuen. Bei der Kindererziehung werden den Müttern die ersten zehn Jahre ihres Kindes als „Kinderberücksichtigungszeit“ angerechnet. Gibt es noch Geschwisterchen, gilt die Zeit bis zum zehnten Geburtstag des letzten Kindes. Nicht-erwerbsmäßige Pflege von Angehörigen, Zeiten der Krankheit und Rehabilitation, des Kriegsdienstes, der Kriegsgefangenschaft oder der politischen DDR-Haft werden ebenfalls berücksichtigt. Und wer mit einer derart geringen Rente im Monat haushalten muss, dass er trotz Aufbesserung mit der Grundrente nicht über Grundsicherungsniveau kommt, der soll bei der Grundsicherung im Alter und Erwerbsminderung und beim Wohngeld etc. monatlich einen Freibetrag von mindestens 100 Euro und maximal 216 Euro eingeräumt bekommen, um über die Grundsicherungshürde gehoben zu werden.

So hoch darf die Rente sein

Eine Einkommensprüfung soll gewährleisten, dass die Grundrente nur da zum Einsatz kommt, wo der Bedarf brennt: Ein Single-Rentner darf demnach maximal 1.250 Euro Einkommen beziehen, ein Rentner-Pärchen maximal 1.950 Euro. Alles, was darüberliegt, wird zu 60 Prozent auf die Grundrente angerechnet. Ein Beispiel: Bekommt ein Rentner monatlich 1.300 Euro, werden die 50 Euro, die über der Grenze liegen, zu 60 Prozent verrechnet. Er erhält somit 30 Euro weniger Grundrente. Liegen die Bezüge über 1.600 Euro bzw. über 2.300 Euro bei Paaren werden 100 Prozent auf die Grundrente angerechnet. Ein Rentnerpaar, das zum Beispiel 2.400 Euro Monatsverdienst hat, bekommt 100 Euro weniger Grundrente ins Portemonnaie.

Die Einkommensprüfung

… checkt, ob es noch weitere Einkünfte aus Mieten, Pensionen oder betrieblicher und privater Vorsorge gibt. Der steuerfreie Teil von Renten, Kapitalerträge, die nicht im schon zu versteuernden Einkommen drin sind, und ausländische Einkünfte werden ebenfalls geprüft. Abgezogen werden Werbungskosten und Aufwendungen für Kranken- und Pflegeversicherung. Vermögen und Immobilienbesitz bleiben unberücksichtigt.

Bescheid wissen

Der Steuerbescheid von 2019 soll wahrscheinlich zur Prüfung des Anspruchs zugrunde gelegt werden. Daher ist es für jeden Rentner wichtig, auch ohne Verpflichtung schon für 2019 eine Steuererklärung abzugeben. Sonst kann es sein, dass es im ersten Jahr 2021 erst mal keine Grundrente gibt. Geplant ist, die Einkommen von Jahr zu Jahr erneut zu prüfen. Eine Beantragung der Grundrente ist nicht notwendig, da der Datenabgleich für die Einkommensprüfung zwischen Rentenversicherung und Finanzämtern automatisch ablaufen soll – die Realisierung wird allerdings noch kontrovers diskutiert.

Rentenzeiten für Mini-Jobber

Wer oft in geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen sein Auskommen findet oder auch in Mini-Mini-Jobs, die mit bis zu 200 Euro vergütet werden, kann Grundrentenanspruchszeiten sammeln, was für Studenten und Arbeitslose I und II – die Rentner von morgen – relevant ist. Allerdings muss im Arbeitsvertrag das Kreuzchen bei der Rentenversicherungspflicht gesetzt werden, auch wenn das ein paar Euros monatlich kostet. Arbeitslosigkeit wird nicht auf die Grundrente angerechnet.

Wer geht leer aus?

Hier ist ein Drunter und Drüber entscheidend: Wer über 80 Prozent und unter 30 Prozent des jährlichen Durchschnittseinkommens verdient hat, bekommt keine Aufstockung. 2019 lag der Bereich der angesetzten 30-80 Prozent bei einem beruflichen Monatsgehalt von 972 Euro bis 2.593 Euro. Bei einer Frau, die beispielsweise eine Rente von knapp 750 Euro bekommt, 38 Jahre versicherungspflichtig gearbeitet und zwei Kinder hat, kann es dennoch sein, dass nur 26 Jahre einberechnet werden, da sie in den restlichen Arbeitsjahren unter den 30 Prozent des jährlichen Durchschnittsverdienstes lag. Verdiente sie in den anerkannten 26 Jahren hingegen 70 Prozent des Durchschnittslohns, bekommt sie 746 Euro Rente und 75 Euro Grundrentenzuschlag.

Weitere Rechenbeispiele

Angenommen eine Floristin hat 40 Jahre gearbeitet und bekommt eine Rente von 528,80 Euro. Sie erhält den Grundrenten-Höchstsatz von 406,86 Euro und verzeichnet demnach eine Gesamteinnahme von 933,66 Euro im Monat.

Oder: Eine fiktive gut verdienende Bauingenieurin aus Ostdeutschland, die nach der Grenzöffnung arbeitslos wurde und erst nach ein paar Jahren einen neuen Job – allerdings schlechter bezahlt und unterhalb ihrer Qualifikationen – fand, bezieht eine Monatsrente von gerade mal 746 Euro. Trotz Arbeitslosigkeit hat sie 33 Arbeitsjahre vorzuweisen, die für die Grundrente angerechnet werden und sie somit auf 941 Euro monatliches Einkommen kommt.

Fazit

Einige Rentner werden von der Grundrente spürbar profitieren, wie das Beispiel mit der Floristin zeigt, was aber nicht bedeutet, dass sie jetzt endlich sorglos die neue Waschmaschine kaufen kann, die nach 30 Jahren den Geist aufgegeben hat. Cent-Zählen ist dennoch weiterhin angesagt. Für andere hingegen wird wohl mehr oder weniger ein Null-Summen-Spielchen dabei herauskommen. Denn wer gerade so über den Grundsicherungsbedarf gehoben wird, verliert gewisse Vergünstigungen, die nur Menschen mit Grundsicherungsnachweis bekommen, wie beispielsweise eine Befreiung von der GEZ, günstigere Tarife für den öffentlichen Nahverkehr, Eintrittskarten für Museen, Schwimmhallen, Sportstätten, Theater, Kino, Tierpark etc.

2021 wird zeigen, wie die Theorie der Respektrente im Geldbeutel der Realität aussieht. Doch Weitblick und  gesunder Menschenverstand lassen schon erkennen, dass die Lobpreisungen mancher Politiker auf die Grundrente mehr versprechen, als sie halten, und mehr Augenwischerei sind als eine nachhaltige Bekämpfung der Altersarmut.