Sich im Alter nach getaner Arbeit zurücklehnen und das Leben verdient genießen – das ist jedem Rentner nur zu wünschen. Doch leider sieht die Realität in Deutschland anders aus. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes galten letztes Jahr 15,6 Prozent der Rentner als arm, d.h., sie haben weniger als 917 Euro im Monat zum Leben. Hier liegt die sogenannte Armutsgefährdungsschwelle, unter die immer mehr Rentner rutschen. Zudem nimmt die Altersüberschuldung drastisch zu: In den letzten zwölf Monaten um 44,9 Prozent der über 70-Jährigen laut Schuldneratlas 2019, in den letzten fünf Jahren sogar um 243 Prozent. Bei den 60­-69-Jährigen stieg die Verschuldung um 15,3 Prozent. Die Grundrente soll nun unseren Rentnern zu mehr Lebensqualität und Würde im Alter verhelfen. Tut sie das auch?

So funktioniert die Grundrente

Ab 1.1.2021 sollen Rentner, die mindestens 35 Jahre lang in Deutschland gearbeitet und in die Rentenkasse eingezahlt haben, Kinder großgezogen oder Angehörige gepflegt haben, über das Niveau der Grundsicherung gehoben werden. 1,5 Milliarden Euro stehen für 1,5 Millionen Rentner bereit, so der Kompromiss, auf den sich Union und SPD einigen konnten, zehn Prozent mehr als die Hartz-IV-Sätze. Umgerechnet pro Kopf ergibt das einen Betrag von 80 Euro im Monat. Statt einer Bedürftigkeitsprüfung, bei der das gesamte Lebensumfeld auf Vermögen durchleuchtet wird, findet eine Einkommensprüfung auf Basis vorliegender Steuerdaten statt. Bei einem Gesamteinkommen von 1250 Euro für Singles und von 1950 Euro für Paare wird die Grundrente in voller Höhe ausgezahlt. Vorhandenes Vermögen wie PKW, Eigenheim oder Sparvermögen bleiben unberührt.

Ermittelt wird der Grundsicherungsbetrag über ein Punktesystem. Pro Beitragsjahr wird eine bestimmte Anzahl an Entgeltpunkten in Abhängigkeit von der Einkommenshöhe gutgeschrieben. Ein Durchschnittsverdiener erhält einen Entgeltpunkt pro Jahr, das sind momentan 32,04 Euro im Westen und 30,69 Euro im Osten. Die Rentenversicherung ermittelt die Durchschnittspunktzahl. Bei weniger als 0,8 Entgeltpunkten pro Jahr werden diese verdoppelt. Angerechnet werden nur 35 Beitragsjahre, der maximale Punktwert liegt bei 0,8 Entgeltpunkten im Jahr. Der Zuschlag wird bei 14 Punkten gedeckelt, das entspricht derzeit 448 Euro.

Geht die Rechnung auf?

Die Grundsicherung beträgt im bundesdeutschen Durchschnitt etwa 800 Euro – addiert man die durchschnittlichen 80 Euro Grundrente, sind das 880 Euro. Die Betragshöhe, die sich aus der Verrechnung von Grundsicherung und Grundrente ergibt, steht somit immer noch im Bereich der Altersarmut unterhalb der Armutsgefährdungsgrenze von 917 Euro im Monat. Im Maximalfall liegt der Grundrentenzuschlag momentan bei 448 Euro. Ist das Einkommen dann immer noch auf Grundsicherungsniveau, soll mit verbessertem Wohngeld aufgestockt und ein Freibetrag in der Grundsicherung anerkannt werden, um sicherzustellen, dass dem Betroffenen mehr Geld zur Verfügung steht als jemandem, der nie gearbeitet hat.

Versteckte Falle: Vergünstigungen fallen weg

Die Krux darüber hinaus ist, dass für Vergünstigungen, die Bedürftige mit Grundsicherung erhalten können, nun kein Anspruch mehr besteht, da sie jetzt über der Grundsicherungsgrenze liegen. So fällt etwa die GEZ-Befreiung weg und es besteht kein Anspruch mehr auf beispielsweise den München-Pass. Dieser ermöglicht bedürftigen Rentnerinnen und Rentner Ermäßigungen im öffentlichen Nahverkehr, in Museen, Sportstätten, Schwimmbädern, Kinos, Theatern und Zoo etc.

Ein Blick in die Realität

Stoppt die Grundrente nun den zunehmenden Abstieg in die Altersarmut? Der Kölner Soziologe und Armutsforscher Christoph Butterwegge kritisiert: „Damit könnten die Menschen, die jahrzehntelang gearbeitet hätten, im Alter kein Leben in Würde führen.“ Er sieht in der Grundrente lediglich „Trippelschrittchen“, die so minimal sind, dass die Altersverarmung nicht aufgehalten wird.

Gehen die heute 40- bis 50-Jährigen in Rente, wird sich das Armutsproblem im Alter erst in seiner ganzen Drastik zeigen. Laut einer Bertelsmann-Studie droht in 20 Jahren jedem fünften Rentner Verarmung. Denn die Grundproblematik liegt unter anderem in der vergangenen Rentenpolitik, in schlecht bezahlten Arbeitsverhältnissen, nicht sozial versicherten Minijobs, wechselhafter Erwerbsbiografien, Teilzeitarbeit, Leih- oder Zeitarbeit und im Anstieg der Selbstständigen, die nicht rentenversichert sind. Besonders betroffen sind Frauen, die keine 35 Arbeitsjahre erzielen konnten.  Hinzu kommen immer höhere Mieten, die mancherorts kaum noch erschwinglich sind.

Eine mögliche Lösung wäre laut Butterwegge, den Mindestlohn auf 12,86 Euro anzuheben. Die Bundesregierung nannte auf eine Anfrage im Bundestag, wie hoch der Mindestlohn sein müsse, um nicht grundsicherungsbedürftig zu werden, genau diesen Betrag. 12 Euro werden derzeit von der SPD gefordert. Aktuell gibt es nur 9,19 Euro pro Stunde.

Bis aber wirklich greifende sozialpolitische Wege eingeleitet werden, die das Verarmungsproblem der Rentner an der Wurzel packen, sind unsere Rentnerinnen und Rentner auf Hilfe von eigenem Zuverdienst im Alter, Tafeln und von Vereinen wie Ein Herz für Rentner angewiesen. „Ich sehe tagtäglich das Ausmaß der Bedürftigkeit. Dass die Grundrente dieses beseitigt, sehe ich leider nicht. Und was ist zum Beispiel mit den Erwerbsunfähigkeits- und Erwerbsminderungsrentnern, die unverschuldet in die Situation geraten sind? Sie fallen komplett durchs Raster!“, so die Gründerin und 1. Vorsitzende des Vereins Sandra Bisping.